24/01/2015

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Schulsystem wegen Umbauarbeiten geschlossen? Schule für’s Leben oder Leben für die Schule.

Von Katharina Leitner

24/01/2015


Am 10. Jänner 2015 ahnte Naina sicher noch nicht, was sie mit einem einzigen Tweet auf Twitter auslöst. „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann’ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ Damit brachte sie einen Stein mächtig in’s Rollen. Ganz Deutschland und umliegende Länder sprechen nun über die Notwendigkeit des Lernstoffs in Schulen und darüber, ob Schule nicht gar von Grund auf umgebaut werden soll.

Schule fürs Leben

„Schulen haben einen Bildungsauftrag, sie sollen junge Menschen auf das Berufsleben oder eine akademische Laufbahn vorbereiten. Dass Lehrer darüber hinaus auch noch verpflichtet sein sollen, ihre Schüler fit für das Leben zu machen und zu Selbstständigkeit zu erziehen, ist ein Irrglaube. Diese Aufgabe obliegt, und oblag schon immer, den Eltern. Genau hier hakt es heute aber oft.“, kommentierte die Autorin Christina Rings auf die über Nacht entstandene Bildungsdebatte.

Zahlreiche weitere Zeitschriften und Blogger sprangen auch auf diesen Zug:

„Denn wenn man davon ausgeht, was 17-jährige alles nicht wissen und können, so sollten wir Ihnen in der Schule auch beibringen, wie man Löcher in die Wand bohrt, ein Ei kocht und Fettablagerungen von der Dunstabzugshaube kratzt“, so beispielsweise FAZ-Redakteur Martin Hock.

Die Kernfrage mit welche der Tweet den Nerv vieler Menschen getroffen hat ist doch die, wofür wir unsere jungen Menschen in die Schule schicken.

Schule muss auf das Leben vorbereiten! Oder: Schule muss uns einen Überblick über all das Wissen geben.

Wieso schicken wir unsere Kinder in die Schule?

Ist es besser im Fach Englisch einen Shakespeare im Original lesen zu lernen oder in zeitgemäßer Form auf Englisch kommunizieren zu lernen?

Ist es besser, Gedichte aus vergangenen Jahrhunderten zu analysieren oder zu lernen wie man einen Geschäftsbrief- bzw. Mail aufsetzt?

Ist es besser Wissen aus dem Mittelalter zu büffeln oder zu erfahren, wie die aktuellen Kriege rund um die Welt verhindert werden können?

schulsystem_Achtung_Umbauarbeiten_LinguajetDie Schule ist Jahrtausende alt – nur die Lehrpläne verändern sich alle Jahre mal. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Art und Weise wie wir in der Schule eine Fremdsprache lernen 500 Jahre alt ist? Innovative, neue Lernmethoden, wie die Birkenbihl-Methode zum Sprachenlernen, schaffen den Durchbruch leider nur selten. Man vergisst, dass Schule dynamisch ist! Das Schulsystem muss sich eigentlich im ständigen Umbau befinden, um auf die aktuellen Veränderungen im Bereich Technologie, Gehirnforschung etc. einzugeben. An altem, vermeintlich unverzichtbarem Wissen zu kleben, ist sinnlos.

„Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“ (Non scholae, sed vitae discimus), hieß schon ein Spruch der alten Römer. Und schon der Philosoph Seneca beklagte sich über die unnütze Fülle an Stoff, die in der Schule vermittelt werde und die jeden Lerneifer abstumpfen müsse. „Anstatt tüchtige Menschen aus den Schülern zu machen, züchte man Stubengelehrte!“

Die Reaktion Nainas Schulleiterin auf deren Tweet („dumm und fahrlässig“) verdeutlicht: Ein bisschen mehr Fähigkeit zur Selbstkritik würde uns allen nicht schaden – denn immerhin ‚machen wir Schule’.

Was soll in der Schule gelehrt werden?

Unter „auf das Leben vorbereiten“ fällt für mich ganz eindeutig und mit höchster Priorität das Erlernen von Fähigkeiten. Neben den Fähigkeiten „Hinterfragen“, „Argumentieren und Repräsentieren“ sowie soziale Kompetenzen ist eine Fähigkeit von zunehmender Bedeutung: Informationen finden und filtern. Mit der aktuellen ICILS-Studie (International Computer and Information Literacy Study) wurden erstmalig im internationalen Vergleich informations- und computerbezogene Kompetenzen von Jugendlichen gemessen. Weltweit haben 21 Bildungssysteme, davon 12 in Europa, daran teilgenommen.

Das Ergebnis für Deutschland ist trostlos: 30% der Jugendlichen in Deutschland erreichen nur die unteren beiden Kompetenzstufen von insgesamt 5 Stufen.

„Diese Schülergruppe wird es voraussichtlich schwer haben, erfolgreich am privaten, beruflichen sowie gesellschaftlichen Leben des 21. Jahrhunderts teilzuhaben“, so heißt es in dem Bericht.

„Die Ergebnisse machen deutlich, dass die weit verbreitete Annahme, Kinder und Jugendliche würden durch das Aufwachsen in einer von neuen Technologien geprägten Welt automatisch zu kompetenten Nutzerinnen und Nutzern digitaler Medien, nicht zutrifft“.

Die Schweiz steht den deutschen Ergebnissen um wenig nach; Österreich hat erst gar nicht an der Studie teilgenommen.

ICILS-Studie

Wie sollen Naina und all die anderen Jugendlichen nun an die wichtigen Informationen über Miete, Versicherung und Lebensalltag herankommen, wenn sie mit den Informationen im Internet überfordert sind, und es weder über die Eltern, noch über die Schule vermittelt wird?

Eine Antwort auf die Frage „was soll sonst in der Schule gelehrt werden?“ habe ich also:

Die Fähigkeit, sich Wissen dann anzueignen, wenn man es braucht.

„Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeiten hat, die im Moment gefragt sind.“ Henry Ford, 1863-1947

Schule für das LebenIch hab mit 19 Abitur/Matura gemacht, danach internationale Studien bis zum Master of Arts in Business. Mit 10 Jahren hat mir mein Vater ein Heft mit dem Titel „Haushaltsbuch“ in die Hand gedrückt, worin ich all meine Ein- und Ausgaben festhalten musste. Meine Eltern haben alles dafür getan, mich auf ein selbstständiges Leben vorzubereiten. Mit 19 bin ich ausgezogen; mit 25 machte ich mich selbstständig. Das waren nur zwei Situationen in meinem Leben in denen ich total verloren war. Ich hatte keine Ahnung was zu tun war und welche Konsequenzen auf mich zukamen. Doch zu helfen wusste ich mich: Bekannte fragen, den Service von Organisationen in Anspruch nehmen, Googeln, hinterfragen, Bekannte fragen …

Geglückt ist es mir also. Da bleibt die Frage: Wäre es auch einfacher gegangen?

Katharina Leitner

Über die Autorin / den Autor

Content Managerin und Bloggerin Katharina Leitner beschäftigt sich seit 2011 intensiv mit der Birkenbihl-Methode sowie den Kreativtechniken und Denktools von Vera F. Birkenbihl.

Seit 2014 arbeitet sie als selbstständige Online & Performance Marketerin: www.rucker-marketing.at

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