Die Psychologin und Motivations-Trainerin Vera F. Birkenbihl hat zahlreiche Techniken entwickelt, um neuronale Verbindungen in unserem Gehirn zu aktivieren und neue Verknüpfungen herzustellen. Sie benannte zahlreiche Denk-Modelle: Das sind Erklärungsmodelle, die uns zu verstehen helfen, wie gewisse Dinge im Hirn ablaufen. Damit hat Vera F. Birkenbihl zahlreichen Menschen geholfen, effektiver zu denken, zu lernen und zu kommunizieren. Die bekanntesten Denk-Modelle stellen wir Ihnen hier kurz vor.
1. Denk-Modell: Der Ball-im-Tor-Effekt
Verwendungszweck: Management, Bildung
Interessant für: Lehrkräfte, TrainerInnen, Führungskräfte, ErzieherInnen
Vera F. Birkenbihl ging davon aus, dass das direkte Erkennen, ob Sie richtig oder falsch liegen, für den Lerneffekt enorm wichtig ist. In der Schule erhält man Testergebnisse erst Tage nach der Prüfung. Das Problem dabei ist, dass der Lerneffekt ausbleibt. Psychologen sprechen auch über die „kritische halbe Sekunde“, in der sich der Lerneffekt einstellt.
Vera F. Birkenbihl nannte gerne dieses Beispiel: Wenn ein Fußballspieler einen Elfmeter schießt, weiß er sofort über seinen Erfolg Bescheid. Entweder ist der Ball drinnen oder nicht. Durch das sofort ersichtliche Resultat lernt er schnell. Bei einem sofortigen Ergebnis können Sie sehen, wie gut Sie arbeiten und wo Sie wie korrigieren müssen, wenn Sie besser werden wollen.
„Jeder Fehler hat eine Lehre eingebaut.“ – Vera F. Birkenbihl
2. Denk-Modell: Das Insel-Modell
Verwendungszweck: Management, Kommunikation
Interessant für: Führungskräfte, Lehrkräfte, TrainerInnen, Alltag
„Wer besser kommunizieren will, darf nicht auf seiner eigenen Insel sitzenbleiben. Er muss versuchen, mit den Inseln der anderen Überschneidungen zu finden. Wir haben nicht gelernt zu respektieren, dass andere Menschen andere Inseln haben und diese genauso lieben wie wir unsere.“ – Vera F. Birkenbihl
Jeder Mensch lebt auf seiner eigenen Insel. Diese Insel steht für die eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, welche die Kommunikation des „Insel-Bewohners“ bestimmt. Wenn Sie gut kommunizieren möchten, müssen Sie eine Brücke zur Insel des jeweils anderen bauen. Das fällt den meisten Menschen jedoch schwer, da sie davon ausgehen, dass ihre Welt die einzige bzw. die richtige ist. So entstehen die meisten Kommunikationsprobleme, ganz nach dem Ausdruck “Man redet aneinander vorbei”.
Je größer die eigene Denk-Insel ist, umso mehr (Teil-)Überschneidungen ergeben sich mit GesprächspartnerInnen. Kommen die GesprächspartnerInnen sozusagen von zwei verschiedenen Inseln und es gibt kaum ähnliche Meinungen, Erfahrungen oder Weltansichten zum Gesprächsthema, so kann laut Vera F. Birkenbihl oft beobachtet werden, dass beide KommunikationspartnerInnen versuchen, Gemeinsamkeiten zu erzwingen. Für gewöhnlich endet das Gespräch in einer unangenehmen Diskussion.
“Du sieht die Welt nicht so, wie sie ist, sondern so, wie du bist.” – Mooji
Es ist wichtig, die Vielfalt der Dinge zu respektieren und sie so stehen zu lassen, wie sie sind. Selbst wenn Sie keine Einigung erzielen können, sollten Sie zumindest darin übereinstimmen, dass Sie sich nicht mit Ihrem Gesprächspartner einigen können. Daher sollte ein grundlegendes Verständnis für unsere Meinungsverschiedenheiten vorhanden sein.
Die „Zweinigung“, ein weiteres Modell von Vera F. Birkenbihl, beruht auf dem Inselmodell. Eine Zweinigung ist eine Art Kompromiss, wenn keine Einigung gefunden werden kann. Man ist sich dann zumindest einig, dass man sich nicht einig ist.
„Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.“ – Arthur Schopenhauer
3. Denk-Modell: Das Wissensnetz
Verwendungszweck: Lernen, Lehren
Interessant für: Lehrkräfte, TrainerInnen, SchülerInnen, Eltern/ErzieherInnen
Die Anzahl der Assoziationen, die uns zu irgendetwas einfallen, hängt immer von unserem (derzeitigen) Wissens-Netz ab. Denn jedes einzelne Neuron (jede Erinnerung, Erfahrung, jedes Wort …) hat Verbindungen zu Tausenden anderen Neuronen. Alles, was wir jemals gelernt haben, ist Teil unseres metaphorischen Wissens-Netzes.
Jede Wissens-Einheit stellt quasi einen Faden dar, der mit zahlreichen anderen vernetzt ist. Wenn eine neue Information im Wissensnetz etwas Ähnliches oder Bekanntes findet, dann bleibt sie hängen. Dadurch wird das Wissensnetz ein wenig dichter und beim nächsten Mal ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Information im Netz hängen bleibt, größer. Deshalb lernen wir leichter dazu, je mehr wir bereits (zu diesem Thema) wissen. Findet die Information nichts Ähnliches, so fliegt sie durch das Netz hindurch und ist verloren. Neues Wissen kann also nur an vorhandenes Wissen anknüpfen.
Wichtig: Wissensfäden entstehen nicht durch das Auswendiglernen (z.B. von isolierten Vokabeln). Nur wer wirklich versteht und kapiert, webt den Faden und lässt ihn beständig wachsen und dicker werden. Somit wird das Neue nicht beim einen Ohr rein und beim anderen wieder hinaus transportiert, sondern wandert in unser gigantisches „inneres Archiv“ (wie Vera F. Birkenbihl das Langzeitgedächtnis gerne nannte). Wird es einmal im Archiv gespeichert, können wir es immer wieder abrufen und reaktivieren.
„Der erfolgreiche Mensch sitzt im Zug des Lebens und steht nicht zeit seines Lebens nur an der Haltestelle.“ – Vera F. Birkenbihl
4. Denk-Modell: Das 5-Stufen-Energiemodell
Verwendungszweck: Lernen, Lehren, Beruf, Alltag
Interessant für: Eltern, Führungskräfte, Lehrkräfte, TrainerInnen
Manchmal fühlen wir uns schlapp und müde, ohne recht zu wissen, warum. Vera F. Birkenbihl fand in Ihrem Energiemodell die Erklärung. Nach Birkenbihl ist der Energiehaushalt auf fünf Stufen verteilt:
- A-Energien: Jene Energien, die der Körper braucht, um zu funktionieren, wie für die Atmung, Verdauung, Wahrnehmung etc.
- B-Energien: Diese werden für persönliche Themen aufgebraucht, insbesondere für das Selbstwertgefühl. Birkenbihl verwendet dafür auch die Frage: Bin ich ok?
- C-Energien: Energie, die wir für Gedanken an Zukünftiges oder Vergangenes verbrauchen. Wenn wir hingegen im Hier und Jetzt leben, benötigen wir keine C-Energien.
- D-Energien: Diese benötigen wir für Aktivitäten wie unsere Arbeit, Erledigungen im Haushalt, Körperpflege oder auch für Sporttraining.
- E-Energien: E steht für Erweitern und Entdecken. Diese Energien tragen maßgeblich zu Entwicklung, Veränderung und Selbstverwirklichung bei.
Diese 5 Arten werden auf unsere gesamte Energie (100 %) aufgeteilt, angefangen mit A-Energien. Nimmt ein Bereich zu viel Platz ein, werden andere Bereiche darüber verkleinert, im Extremfall bleibt nur das existentiell notwendige Minimum übrig.
Zum Beispiel:
A | B | C | D | E |
20% | 45% | 15% | 15% | 5% |
Wenn wir zum Beispiel krank sind, brauchen wir so viel A-Energie, dass wir für die anderen Bereiche kaum noch etwas übrighaben. Ist unser Selbstwert erschüttert, benötigen wir mehr B-Energien usw. Für E-Energien bleibt in der Regel am wenigsten oder gar keine Energie übrig.
Was kann man daraus für die Burnoutprävention und Stressbewältigung ableiten?
- A-Energien: Verschaffen Sie dem Körper regelmäßig Pausen.
- B-Energien: Treten gerade persönliche Themen auf (B-Energien), sollten Sie sich dessen bewusst sein und sich in anderen Bereichen weniger aufhalsen.
- C-Energien: Die Tätigkeiten des täglichen Lebens sollten Ihnen Spaß machen, sonst kostet das zu viel Kraft.
- D-Energien: Gute Zeiteinteilung, Loslassen und Hilfe annehmen unterstützen dabei, sich Zeit für andere Dinge im Leben zu nehmen.
- E-Energien: Teilen Sie sich Ihre Energien so ein, dass auch für Neues im Leben Platz ist.
„Ein Mensch, der sich hauptsächlich um die Befriedigung der Statusbedürfnisse kümmern muss, hat noch nicht […] genügend Kraft […], sich selbst zu verwirklichen. Er ‚verwirklicht‘ lediglich seine äußere Schale, gewissermaßen seine Verpackung.“ – Vera F. Birkenbihl
5. Denk-Modell: Der Lernberg
Verwendungszweck: Lernen, Lehren, Beruf, Alltag
Interessant für: Eltern, Führungskräfte, Lehrkräfte, TrainerInnen
Das Erlernen von Tätigkeiten ist grundsätzlich etwas anderes als das Anhäufen von theoretischem Wissen. Wer eine Fähigkeit/Tätigkeit wirklich erlernen möchte, muss laut Vera F. Birkenbihl einen (Lern-)Berg erklimmen. Ganz unten befindet man sich im Anfänger-Bereich, gefolgt vom Bereich für Fortgeschrittene und schließlich dem Profi- und Meister-Bereich. Anfänger müssen incidental, also spielerisch und durch Ausprobieren und Entdecken, lernen. Aufsteigend von unten nach oben ist immer mehr intentionales Lernen (mit Erklärungen und Verbesserungen) möglich.
Das Erlernen von Fertigkeiten aller Art muss immer im untersten Level beginnen. Auf diesem Anfänger-Level steht das spielerische Probieren und Lernen ohne Kritik und Angst im Vordergrund. Die Kinder verfügen in dieser Lernphase nur über ein loses Wissensnetz und können auf wenig bis kein Vorwissen zurückgreifen. Daher können sie Verbesserungen nicht begreifen und dennoch wird in Schulen fast ausschließlich theoretisches Wissen vermittelt. Naturwissenschaften werden als theoretisches Wissen vorgetragen, Fremdsprachen über isoliertes Vokabelnpauken und Grammatikregeln.
In der nächsten Phase ist der Fleiß von großer Bedeutung. Je mehr ein Mensch sich interessiert und die neuronalen Verbindungen ausbaut, desto ausgeprägter werden die Verknüpfungen und desto besser wird er/sie in einem Bereich. Im Profibereich (ganz oben am Gipfel des Lernbergs) ist Feedback für den Fortschritt hingegen sehr wichtig, da wir selber verstehen, was und wie wir uns genau verbessern können.
„Es ist nicht entscheidend, was ich sage, sondern was der andere hört.“ – Vera F. Birkenbihl
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TIPP: Eine weitere Technik von Vera F. Bikenbihl sind die ABC-Listen. Schauen Sie sich auch diesen Artikel an: Kreativität durch ABC-Listen – Gehirn-Gerechtes Lernen (brain-friendly.de)
Dieser Beitrag erschien in seiner Originalfassung am 05.11.2020 und wurde am 06.03.2024 von Laura Bacher überarbeitet.