11/08/2017

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Schule ohne Schulfächer – warum das Schubladen-Lernen beendet werden sollte


“Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete und Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“

Mit diesem kurzen Statement auf Twitter brachte die Kölner Schülerin Naina K. Anfang 2015 eine Debatte über das deutsche Schulsystem ins Rollen. Auch wir haben damals über die Notwendigkeit der Schule und mögliche “Umbauarbeiten” debattiert (Artikel siehe hier).

Wie sieht es heute, vier Jahre später aus? “Mathe, Englisch, Biologie? Alles von gestern – der Schulunterricht der Zukunft kommt ohne Fächer aus“ – damit lebt Finnland ‚die Schule von morgen’ vor.

Finnland hat eines der besten Schulsysteme der Welt – und entwickelt dieses ständig weiter

Obwohl Finnland im internationalen Bildungs-Vergleich immer unter den besten 10 Plätzen liegt, ruht sich das Land nicht auf seinen Lorbeeren aus. In Finnland sollen jetzt sogar Schulfächer abgeschafft werden. Bis 2020 soll es für SchülerInnen ab 16 Jahren keine Unterrichtsstunden für Physik, Geschichte oder Englisch mehr geben, sondern Thementage bzw. –wochen, in denen beispielsweise der Zweite Weltkrieg aus der Sicht von Geschichte, Geografie und Mathematik untersucht wird, oder unter dem Motto „Arbeiten in einem Café“ die englische Sprache, Wirtschaft und Kommunikationsfähigkeiten vermittelt werden. Auch die 7- bis 16-Jährigen werden den neuen Unterricht kennenlernen: In allen Schulen soll es zumindest eine längere Phase des fächerübergreifenden, sogenannten “Phänomen-Unterrichts” geben.

Das traditionelle Schulsystem ist veraltet

Marjo Kyllönen, Leiterin der Bildungsabteilung in Helsinki, erklärt: „Das traditionelle System war im 20. Jahrhundert von Vorteil – aber die Ansprüche haben sich geändert, und deshalb brauchen wir etwas, das ins 21. Jahrhundert passt.“

Mit dem neuen Workshop-basierten System will Finnland zum einen das vernetzte Denken, zum anderen die Praxisnähe fördern. Schüler müssen sich heute eine immer komplexere Welt erschließen und der finnische Ansatz könnte helfen, übergreifend zu denken, arbeiten und handeln. Zudem sollen Kinder aus den Themen wählen können, um so auf einen individuelleren Lernprozess hinzuarbeiten – abhängig von Interesse, Talent und Zukunftsvorstellungen.

Durch die Umstellung in Finnland wird das gesamte Bildungssystem auf den Kopf gestellt. Die klassische Lehrer-Schüler-Kommunikation wird durch Gruppenarbeiten und Workshops ersetzt. Das fördert automatisch auch Teamarbeit. Lehrkräfte sind nun gefordert – etwa 70% aller LehrerInnen in Helsinki bereiten sich auf die Reform vor.

“Wir müssen unser System überarbeiten, damit unsere Kinder in Zukunft die Fähigkeiten haben, die sie heute und morgen brauchen”, sagt Marjo Kyllönen, Helsinkis Schulmanagerin

veraltete Lernmethode

Quelle: https://pixabay.com/en/old-vintage-rust-car-antique-1151390/

Der Rest der Welt hat Angst vor Spezialisten

Michael Schratz vom Institut für Schulforschung der Universität Innsbruck weist auf ein Problem hin, das die finnische Reform mit sich bringen könnte: “Es besteht die Gefahr, dass sich Schüler zu früh spezialisieren. Sie lernen zwar selbstständiges Arbeiten, aber haben dafür vielleicht keine Ahnung von wichtigen Themen, die sie nicht interessieren und deshalb keinen Projektkurs dazu belegt haben.”

Was soll man dazu sagen? Europa möchte eben lieber Norm-Menschen ‘produzieren’; Gleichheit anstatt Individualität; nur nicht aus der Reihe fallen! Persönlich kann ich mit dieser Kritik von Herrn Schratz nichts anfangen, denn gibt es etwas Schöneres, als das, was einen wirklich interessiert zu analysieren, diskutieren und sein Wissen dazu zu erweitern? Was unsere Länder als wichtig empfinden, kann für mich sinnlos sein. Und Sinnloses werde ich mir ohnehin nicht merken.

20 Dinge, die wir in der Schule lernen hätten sollen

Eine Produktion von Focus Online:

Video Schule ohne Schulfächer

Traditionelles Schubladendenken hindert vernetztes Denken

Stellen Sie sich vor, Sie haben im Gehirn zahlreiche Schubladen. All das Wissen, das Sie in den Schulfächern gelernt haben, legen Sie in diese Schubladen ab. In der einen legen Sie Jahreszahlen für Geschichtswissen ab, in der anderen den Pythagoreischen Lehrsatz, in den nächsten englische Vokabeln usw.

Jetzt möchten Sie in Thailand an einem Straßenstand Früchte kaufen – und müssen Mathematik, Fremdsprache, Kultur- und Nahrungsmittelkenntnisse auf einmal anwenden. Der Großteil wird zu stottern beginnen. Denn jede Schublade muss geöffnet werden, um nach dem passenden Wissen zu suchen. Je öfter Sie die Schubladen öffnen, desto schneller sind Sie in der Lage, das benötigte Wissen hervorzuholen – denn die Verbindungen zwischen den einzelnen Bereichen werden gestärkt.

Fächerübergreifende Workshops, wie Finnland sie im Schulunterricht plant, fördern fächerübergreifendes, vernetztes Denken und bereitet SchülerInnen so auf die Anwendung im Alltag vor. Denn all das Wissen anzuwenden ist doch das Ziel, oder?

Sprachenlernen wie die Muttersprache - Linguajet

Quelle: https://pixabay.com/en/boy-drawer-away-natural-light-1997089/

Sprachenlernen ohne Schubladen

Auch traditionelles Sprachenlernen – also das Pauken von Vokabeln und Grammatikregeln legt Wissen in einzelne Schubladen ab. Lernen Sie etwa „Tisch – table“, wird dieses „Pseudowort“ in die eine Schublade abgelegt. Grammatikregeln liegen in einer anderen Schublade. Möchten Sie nun einen korrekten Satz formulieren, müssen erst zahlreiche Schubladen geöffnet werden, um mühsam einen Satz formulieren zu können. So werden Sie nie fließend Englisch sprechen! Es wäre doch viel angenehmer, erst gar nicht übersetzen zu müssen, sondern ohne nachzudenken die fremde Sprache einfach anzuwenden, oder? Das lästige Vokabelpauken kann durch ganz einfache De-Kodier-Übungen ersetzt werden: Übersetzen Sie einen englischen Satz Wort für Wort in die Muttersprache – dadurch erlernen Sie die Bedeutung der Wörter und die Grammatik der fremden Sprache.

Ein de-kodierter Satz sieht so aus:

Dekodierung nach der Birkenbihl-Methode

Durch das De-Kodieren erlernen Sie zwei Dinge gleichzeitig, die in der herkömmlichen Lernmethode voneinander unabhängig gelernt werden:

  1. die Bedeutung der einzelnen Wörter (anstatt Vokabeln zu pauken)
  2. die Satzstruktur und die Verwendung der Wörter in der Fremdsprache, also die Grammatik

Auf diese Weise wird das stupide Lernen der Fremdsprache zum Entdecken und somit auch spannend und interessant – so wird Lernen gehirn-gerecht, denn wir merken uns nur das, was uns auch interessiert.


Mehr dazu erfahren Sie hier:
10 Gründe für das De-Kodieren
Brain-Friendly MOVIE© Sprachkurse – mit Filmen Sprachen lernen

Photo by Jan Antonin Kolar on Unsplash

Katharina

Über die Autorin / den Autor

Content Managerin und Bloggerin Katharina Rucker beschäftigt sich seit 2011 intensiv mit der Birkenbihl-Methode sowie den Kreativtechniken und Denktools von Vera F. Birkenbihl.

Seit 2014 arbeitet sie als selbstständige Online & Performance Marketerin: www.rucker-marketing.at

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