12/12/2014

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Leben wir in einer Unwissensgesellschaft?

Von Katharina Leitner

12/12/2014


Denken Sie zurück an Ihre Schulzeit… im Fremdsprachenunterricht wurden unzählige Vokabellisten gepaukt und je nachdem wie viel wissen man sich dadurch angehäuft hat, wurde man in diesem Fach beurteilt. Man wusste also, dass „vivere“ auf Deutsch „leben“ bedeutet und „pillow“ der „Polster“ ist (wie lange man das weiß, sei dahin gestellt). Doch konnte man die aus dem Zusammenhang gerissenen Wörter auch in Texten und Konversationen einsetzen? Eher nicht.

Was nutzt uns angehäuftes Wissen, wenn man es nicht einzusetzen weiß? Deshalb stimme ich Wissenschaftlern, wie Nuissl, Schiersmann und Siebert[1] zu und sage: Anstelle der Wissensvermittlung muss das Erlangen von Kompetenzen treten!

Je mehr Bildung, umso geringer die Fähigkeit

Das Wort „Bildung“ ist ein allgegenwärtiges und wird seit jeher als „good-term“ bezeichnet. Es ist also eher mit positiven Gefühlen behaftet, wie auch „Freiheit“ oder „Friede“.

In letzter Zeit gerät „Bildung“ jedoch immer öfter in Bredouille. Nicht zuletzt, da die Schulbildung kritisiert wird. Angegriffen wird vor allem das Schulsystem, dass sich seit Jahrhunderten kaum verändert hat. Würden Sie heute in ein Flugzeug steigen, das hundert Jahre alt ist? Nein – würden Sie antworten. Warum schicken wir unsere Kinder dann in die Schule, in der sie lernen wie vor 500 Jahren?

Bildung selbst sollte weiterhin positiv behaftet bleiben. Doch die Art und Weise, wie Bildung vermittelt wird, muss den wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Entwicklungen gemäß weiterentwickelt werden.

Laut der Definition von Wilhelm von Humboldt (1965)[2] ist Bildung

„alles, was Menschen Wert gibt, umfassenden Zweck […]; höchste Mannigfaltigkeit in der Ausbildung, Sinn für Gabe und Genuss jeglichen Grades und jeglicher Art, und dann Kraft genug, die höchste Mannigfaltigkeit aufs höchste zu vereinfachen, das Viele immer auf das Eine zu beziehen, in jedem einzelnen immer Seiten zu finden, wo es mit allem zusammenschmilzt […]“.

Bildung, wie sie in Schulen „aufgebaut“ wird, führt leider oft zur FEHLBILDUNG. Denn meist wird die reine Anhäufung von Wissen gefördert. SchülerInnen lernen somit eher auswendig (= Pauken) anstatt zu verstehen. Nach dem Test/dem Examen vergessen sie das Gepaukte schnell wieder, denn es besteht kein Sinn darin, das Wissen weiterhin auf Abruf zu halten. Bereits vor Jahrtausenden sagte der antike Philosoph Seneca[3] „Non vitae, sed scholae discimus“, was auf Deutsch bedeutet „Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir“. Genau in dieser Zeit befindet sich unsere Gesellschaft wieder bzw. noch immer. Es ist fast so als wäre Denken und Verstehen verpönt. Dabei ist genau das der Schlüssel zum erfolgreichen Lernen! Durch das Verstehen und Anwenden wird Wissen zur Fähigkeit – und diese bleibt für immer. Fähigkeiten verlernt man nie wieder – wie das Radfahren oder Klavierspielen.

„Je mehr Bildung, umso geringer die Fähigkeit“ kann ich also nicht unterschreiben, denn Bildung beinhaltet das Erlernen von Fähigkeiten. Dass Schulbildung die Gesamtdefinition von Bildung vernachlässigt, und Bildung oft mit Wissensanhäufung gleichgesetzt wird, ist im Durchschnitt die bittere Wahrheit.

Ohne Wissen werden wir zu einer Gesellschaft der Unmündigkeit

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann kritisiert in seinem neuen Buch „Praxis der Unbildung“ sehr stark die Kompetenzorientierung an Schulen und Universitäten. Was ich für zu wenig ausgeprägt halte sieht er also als großes Problem, auf welches die Gesellschaft zusteuert.

Um diese Unstimmigkeit zu diskutieren fehlt uns noch eine Definition von „Kompetenzen“. F.E. Weinert hat 2001[4] die in Deutschland meistzitierte Variante formuliert:

„die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“

Ausbildung von Kompetenzen (die ich mit Fähigkeiten gleichstelle) soll produktivere Arbeitskräfte erzielen, doch das bezweifelt Liessmann[5]:

„… ein Mensch, der wenig weiß glaubt eher was ihm gesagt wird, weil kritisches Denken ohne Wissen kaum möglich ist.  […] Eine Gesellschaft des Unwissens, auf die wir möglicherweise zusteuern, droht damit auch eine Gesellschaft der Unmündigkeit zu werden“.

Ich bin der Meinung, dass wir manches wissen sollten, doch das ist verdammt wenig. Die Namen der österreichischen Kaiser im 19. Jahrhundert gehören nicht dazu, denn das kann ich nachlesen. Zu wissen wie lange ich den Reis kochen muss ist nützlich, deshalb hab ich mir es gemerkt. Nichts zu wissen macht nichts, denn man kann es ja jederzeit nachlesen. Durch Smartphones, der Google App und dank WLAN ist das Nachlesen sogar mit wenigen Klicks möglich.

Die Kraft, alles anzuzweifeln und zu hinterfragen, wächst nicht mit der Menge des Wissens, das man sich hineingestopft hat – eher ist es umgekehrt. Wichtiger ist es (heutzutage), die Fähigkeit zu haben, unterscheiden zu können, was Müll ist und wo es sich tatsächlich um sinnvolle Information (im Internet) handelt.

Liebe Kritiker der Kompetenzgesellschaft: Behalten Sie bitte im Hinterkopf, dass die Technologie unser Leben stark verändert und sich das auch auf unsere Bildung und das Lernen auswirkt. Vielleicht war Wissen früher von höherer Bedeutung, doch heute bestimmen Fähigkeiten wie wir leben und wo wir beruflich stehen. Durch die ständige Präsenz von Internet und mobilen Geräten, haben wir die Möglichkeit Informationen  nachzuschlagen. Unser aktives Wissen wird dadurch unwichtiger.

Detailwissen eignen wir uns dann schnell und gerne an, wenn wir an einem bestimmten Thema interessiert sind. Alles andere lesen wir einfach nach. Doch ist das wirklich so schlimm, wie einige behaupten? Anstatt von Wissen treten unzählige Fähigkeiten, die in früherer Zeit unausgebildet waren, wie z.B. die Fähigkeit, Informationen schnell einzuholen, diese kritisch zu analysieren und Informations-Massen auf den Punkt zu bringen.

Ich finde: Der Wandel von der Wissensgesellschaft zur Kompetenzgesellschaft ist gut – es ist einfach der Wandel der Zeit.


Pauken Sie noch immer Vokabellisten, um Fremdsprachen zu lernen? Stoppen Sie diesen Unsinn! Das Sprechen einer Sprache ist eine Fähigkeit, und muss als solche erlernt werden!

Eine Methode, um Sprachen als Fähigkeit zu erlernen, ist die Birkenbihl-Methode:

Die wesentlichsten hat die Birkenbihl-Methode zwei Merkmale
1) Vokabeln pauken verboten
2) Grammatik lernen nur wer will!
Die Birkenbihl-Methode distanziert sich klar und deutlich von herkömmlichen Methoden des Sprachenlernens. Bei dieser Lernmethode wird der Spaßfaktor groß geschrieben – Sprachen lernen mit Filmen! Erfahren Sie hier mehr dazu.

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[1] Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung: http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2002/nuissl02_02.pdf

[2] Wilhelm von Humboldts Lehre und Bild vom Menschen. In der Publikation von Menze C., 1965

[3] epistulae morales ad Lucilium 106, 11–12

[4] Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit (2001).

[5] Interview: http://www.wiwo.de/politik/deutschland/philosoph-konrad-paul-liessmann-wer-keine-ahnung-von-geschichte-hat-dem-hilft-auch-wikipedia-nicht-weiter/10830084.html und http://www.wiwo.de/erfolg/campus-mba/bildung-kompetente-wenigwisser/11009200-3.html

Katharina Leitner

Über die Autorin / den Autor

Content Managerin und Bloggerin Katharina Leitner beschäftigt sich seit 2011 intensiv mit der Birkenbihl-Methode sowie den Kreativtechniken und Denktools von Vera F. Birkenbihl.

Seit 2014 arbeitet sie als selbstständige Online & Performance Marketerin: www.rucker-marketing.at

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